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Wie bei allen wichtigen Eigenschaften, die ein Tier ausmachen, stellt sich stets die Frage nach ihrer Evolutionsgeschichte. Alle Säugetiere und insbesondere Primaten haben die Tendenz, wenige ausserwählte Bindungsfiguren zu haben, um überhaupt überleben zu können. Genau so ist das auch beim Säugetier Mensch.

Wir sind programmiert dazu, spezifische Individuen in unserem Leben zu haben, die für uns einen herausragenden Lebenswert darstellen. Unsere Vorfahren, angefangen von den Australopithecinen vor ca. 4  Mio. Jahren, hatten einen entscheidenden Überlebensvorteil, um ihre Gene weiter zu geben und selber Eltern zu werden, wenn sich ihre Eltern spezifisch um die eigenen Kinder kümmerten und dadurch eine für das Überleben und Wachstum entscheidende Bindung aufrecht erhalten. Bindungspartner sorgen sich speziell um das Wohlergehen, sind bei Gefahr da und helfen, wo sie können, um das Überleben und Wachsen des Nachwuches zu sichern. Das erhöhte die Anpassungsfähigkeit ans Ökosystem (Fitness im darwinschen Sinne). Deshalb entstand eine natürliche Selektion jener Individuuen, welche sich erfolgreich binden konnten. Die anderen, bindungsunfähigen Individuuen, konnten sich nicht im gleichen Masse fortpflanzen und starben entsprechend aus.

9 Monate Fusion, 20 Jahre psychologisches Bindungssystem

Das Bedürfnis, sich an jemanden Speziellen zu binden, ist dermassen ausgeprägt, dass es in unserem Hirn nachweislich ein Bindungssystem gibt, welches aus Emotionen und Verhaltensweisen besteht. Dieses festverankerte System hilft uns, dass wir sicher und beschützt leben können, indem wir die Nähe zu ausgewählten Menschen suchen. Das ist ganz stark bei Säuglingen und Kleinkindern, deren Überleben unmöglich ohne Bindung wäre. Und das geht im Erwachsenenalter weiter!

Beim Menschen kann man deshalb sagen: Wir haben ein biologisches Bindungssystem während der neun Monate im Bauch der Mutter. Nach der Geburt wird dieses biologische Bindungssystem ersetzt durch ein psychologisches und soziales Bindungssystem, das beim Menschen 16 bis 25 Jahre andauert. So lange wird in der Regel das Eltern-Kind-Bindungssystem aufrechterhalten, damit das Kind überleben und wachsen kann, bis es selber flügge wird. Das ist im Tierreich absoluter Rekord. Es darf deshalb nicht überraschen, wie stark uns das Bindungserleben auch für das Erwachsenendasein prägt.

Der Zwilling zum Bindungssystem: Das Explorationssystem

Um das Bindungssystem zu verstehen muss man den automatischen Zusammenhang verstehen mit seinem Zwilling: Dem Explorationssystem (zoom-link). Entweder ist das Bindungssystem aktiviert und wir brauchen Absicherung, Schutz, Verständnis und Begleitung von negativen Emotionen der Verletzlichkeit (zoom-link). Wenn das Bindungssystem befriedigt ist, wir uns also sicher fühlen, zum Beispiel in der Bindung zu unserem Partner, dann schaltet sich das Bindungssystem aus und das Explorationssystem ein. Das bedeutet, wir sind nur dann offen, lernen, können Dinge und Personen erleben und erfahren, wenn unser Bindungssystem gesichert ist (dann ist es ausgeschaltet). Wenn Bindungsunsicherheit da ist, dann müssen wir unseren Partner zuerst absichern, also die Bindungssicherheit herstellen und erst danach ist unser Partner offen für das Erörtern von Problemen. Dieser Zusammenhang zwischen Bindungssystem und Explorationssystem ist genetisch gegeben. Man kann ihn am besten bei einer Eltern-Kind-Bindung erkennen (zoom-link). Ein Kind kann seine Umwelt nicht neugierig erforschen, wenn es sich nicht sicher gebunden fühlt. Erst durch die Sicherheit an eine Bindung kann das Kind sich selbst, vor allem seine Umwelt und natürlich auch seine Mitmenschen voll wahrnehmen, erkennen und entsprechend all die Dinge lernen, die es braucht, um früher oder später erfolgreich auf eigenen Beinen zu stehen. Ist das Bedürfnis nach Absicherung und Schutz da, dann muss das Kind zuerst gesichert und geschützt werden. Wenn das erfolgt ist, dann kann das Kind sich auch wieder dem Spiel zuwenden, lernen, erforschen etc. Diese beiden Systeme hängen eng zusammen. Nur in einer relativen Sicherheit kann man gedeihen. Dieses Zusammenspiel der beiden Systeme ist auch auf erwachsener Ebene weiterhin gültig.

Alle drei Bindungsstile haben evolutionäre Wurzeln

Es haben sich verschiedene Ausprägungen entwickelt, was die menschlichen Bindungssysteme anbelangt.

Es gibt nebst dem typisch sicheren Bindungsstil auch den typisch vermeidend-unsicheren sowie den typisch ängstlich-unsicheren Bindungsstil (zoom-link). Es ist gut nachvollziehbar, weshalb sich die beiden letztgenannten Ausprägungen entwickeln konnten. Beide Varianten waren besonders sinnvoll in gefährlichen, höchst unsicheren Ökosystemen. In einem solchen System machte es entweder Sinn, sich nicht ausschliesslich und nicht zu stark auf einen einzigen Bindungspartner zu verlassen. Das ergab den vermeidenden Bindungsstil. Oder im Gegenteil sich sehr aufmerksam (hypervigilant) und sehr nahe am Bindungspartner zu orientieren und auf kleinste Zeichen der Distanz sofort zu reagieren: der ängstliche Bindungsstil.

Im Normalfall war aber das Ökosystem weder extrem unwirtlich noch extrem feindlich, und deshalb hat sich der "sichere Bindungsstil" am meisten durchgesetzt. Hier binden sich die Partner weder in einem ängstlichen noch in einem vermeidenden Modus. Es entstand ein sicherer Bindungsstil. Die Bindungspersonen "lernten", dass auf die Präsenz und Hilfe des anderen auch auf längere Dauer meist Verlass war.

Physiologische Beweise für die Bindung

In zahlreichen Experimenten wurde zweifelsfrei nachgewiesen, dass wir sehr spezifisch auf die Gegenwart unseres Bindungspartners reagieren, vor allem in Stress- und Sicherheitssituationen. Die Körper der Partner sind regelrecht aufeinander abgestimmt! Eindrücklich ist zum Beispiel das Experriment von James Coan und seinem Forschungsteam (zoom-link). Sagt man den Versuchspersonen, dass sie nächstens einen leichten Elektroschock verpasst bekommen, so steigen die messbaren Stresswerte sofort hoch und bleiben auf diesem Niveau, bis der Schlag erfolgt. Hält eine unbekannte Person während des Wartens auf den Elektroschock die Hand der Versuchsperson, so sinken die Stresswerte leicht. Hält die Partnerin oder der Partner die Hand der Versuchsperson, so senken sich die Stresswerte auf ein fast nicht mehr messbares Resultat. Dies trifft in der Tendenz für alle Bindungsstile zu. Mit anderen Worten: Die Bindungspartner sind physiologisch aufeinander geeicht.

 

{slider Literatur}

A. Levine, R. Heller (2010): Attached. The New Science of Adult Attachment and How It can Help You Find - and Keep - Love. (Paperback Edition: 2011). Penguin.

J. Bowlby (1988): A secure base: Clinical Applications of attachment theory. London: Routledge.

John Bowlby (1982): Das Glück und die Trauer, Herstellung und  Lösung von affektiver Bindung. Konzepte der Humanwissenschaften. Klett-Cotta

M. Mikulincer, P. R. Shaver (2016): Attachment in Adulthood (second edition). Structure, Dynamics and Change. The Guilford Press. NY

Grossmann/Grossmann (2004): Bindungen - das Gefüge psychischer Sicherheit. Klett-Cotta.

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